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Der WB sprach mit dem Önologen Michael Hänzi über guten Wein, veraltete Spritztechnik und weshalb er auch traditionelle Winzer fürs Spritzen belohnen würde.
Artikel im Walliser Bote vom 30.05.2022 / Interview: Daniel Zumoberhaus
Michael Hänzi, was macht einen guten Wein aus?
Ein Wein sollte von filigraner Qualität sein, er sollte ein feines Spiel im Gaumen auslösen, nicht nur geschmeidig oder üppig. Er darf beim Trinken durchaus zuerst etwas anecken, also ungewohnt sein und dafür überraschend.
Die Auseinandersetzung mit einem Wein finde ich wichtig und spannend.
Ein klassischer Pinot ist für Sie nicht interessant?
Doch, Pinot ist für Önologen das Höchste aller Gefühle, die Königin aller Traubensorten und sehr, sehr schwierig zu keltern. Aus Pinot lassen sich sehr viele gute Produkte herstellen. Doch besteht die Gefahr, dass teils langweilige Weine entstehen, wenn der Ertrag zu hoch ausfällt. Die teuersten Weine stammen aus dem Burgund, das sind reine Pinots
Sie sind ein Genussmensch und bieten nur an, was Sie selbst probiert haben, sagen Sie von sich. Sind Sie eine Art Weinguru?
Nein, ich vertrete eine Richtung. Ich weiss Bescheid über das, was ich selber erfahren habe. Wissen nicht einfach nur glauben, sondern selber anwenden, reflektieren, damit experimentieren. Danach sich mit interessierten Menschen austauschen.
Sie wählen einen Ansatz, der alles komplett umkrempeln will in der Welt des Weins?
Nein, aber es gibt tatsächlich Dinge und Vorgehensweisen, die mich stören. Es kann ja nicht sein, dass wir beispielsweise bei der Spritztechnik noch gleich weit sind wie vor 40 Jahren. Ein guter Wein entsteht zu 95 Prozent im Rebberg.
Sie wollen wie die Vertreter von Piwi‑Weinen weitestgehend aufs Spritzen von Pflanzenschutzmitteln verzichten. Weshalb?
Nicht zwingend, aber ich würde nebst Piwi oder anderen Trends traditionelle Weinbauern dafür belohnen, wenn sie 30 oder 40 Prozent weniger spritzen. Die heutige Applikationstechnik ist brachial, zu brachial.
Warum zu brachial?
Es sollte zur richtigen Zeit am richtigen Ort gespritzt werden, nicht innert zwei oder drei Tagen nach dem Giesskannenprinzip. Doch ich weiss, das stellt eine grosse Herausforderung dar.
Sie sind zum Jubiläum des Vereins Piwi Wallis eingeladen, der seinen 20. Geburtstag feiert. Wie sind Sie als Önologe auf Piwi‑Weine gestossen?
Piwi war schon zu meiner Studienzeit von 1996 bis 1999 in Wädenswil ein Thema. Dazumal sprach man von interspezifischen Rebsorten. Ein Kumpel von mir hatte bereits Anfang der 90er-Jahre gute Erfahrungen gemacht mit Maréchal Foch und Regent.
Was macht den Reiz der Arbeit mit diesen nachhaltig oder anders produzierten Weinen im Gegensatz zu herkömmlichen Weinen aus?
Weine aus farbintensiven Trauben oder aus sehr fruchtigen Trauben können langweilig wirken. Reizvoll ist es, Weine mit Charakter und mit Finesse zu vinifizieren. Oft liegt dazwischen ein sehr schmaler Grat.
Es gibt sie, die Unterschiede im Gaumen?
Der Anspruch an die Vinifikation ist bei traditionellen wie auch bei den Piwis sehr ähnlich. Aus Piwi-Trauben sind sehr schöne, einfache, charaktervolle Weine herzustellen.
Im Moment sehe ich am Horizont noch keinen Silberstreifen, Weine ähnlich den Pinots aus dem Burgund oder den Cabernet Cuvées aus dem Bordeaux nachzukeltern. Die magischen
Spitzenweine bleiben wohl traditioneller Herstellungsweise vorbehalten. Obwohl das Thema Piwi in der Champagne bereits diskutiert wird.
Ein guter Kollege meinte, die Piwi‑Weine seien nicht geniessbar. Falls sich dies ändere, werde er subito sämtliche Rebstöcke aus seinen Weingütern herausreissen und ebenfalls auf Piwi‑Weine setzen.
Was halten Sie ihm entgegen?
Er solle sich ein Bild machen über die Vielzahl der heute schon verkauften Piwi-Weine im In- und Ausland. Es gibt viel Schrott, aber auch ganz gute Weine. Wie schon angedeutet: Der Grat zwischen langweiligen Weinen und sehr guten Weinen ist sehr schmal. Und dann ist es sicher auch eine Geschmacksfrage.
Kommen bei Piwi‑Weinen gar keine fremden Mittel zum Einsatz?
Piwi-Trauben sollten ebenso mit bekannten Pflanzenschutz-Einsatz ist im Vergleich sehr gering. In der Vinifikation gilt für die traditionelle Weinherstellung wie auch für Piwi-Weine: Gezielter
Einsatz önologischer Hilfsmittel ist ratsam, aber nicht zwingend nötig.
Welche Unterschiede gibts bei der Kelterung der verschiedenen Weine oder gibts es überhaupt Unterschiede?
Es gibt keine grundlegenden Unterschiede bei der Kelterung. Es gibt eine Vielzahl möglicher Kelterungsarten.
Sind Piwi‑Weine auch wegen Bio allgemein im Trend?
Sicher auch. Es gibt Regionen mit deutlich mehr als 600 Millimeter Niederschlag im Jahr. Je feuchter das Klima, desto aufwendiger ist der biologische Pflanzenschutz. Da sind Piwis eine valable Option.
Das Wallis als eher trockenes Gebiet mit wärmeren Temperaturen ist demnach prädestiniert für Piwi‑Weine?
Das Wallis ist prädestiniert für tolle Piwi-Weine. Auch für unglaublich interessante Traditionssorten. Dies wird aus meiner Sicht aber nicht vollständig genutzt. Da ist noch grausam viel Luft
nach oben.
Mit dem Klimawandel nehmen die Krankheiten im Weinberg bei den Reben grundsätzlich zu?
Ob der Klimawandel mehr Krankheiten bringen könnte, werden wir sehen. Problematisch wird es, wenn es an Wasser mangelt und die Vegetationszeit sich nach vorne verschiebt. Die Frostgefahr nimmt zu, wenn die Rebe zu früh austreibt. Gefühlt mehren sich auch Hagelereignisse. Dagegen sind auch Piwis nicht gefeit.
Sehen Sie diese Piwi‑Weine eher als ein Problem oder eine Chance für den Weinkanton Wallis, da die pilzwiderstandsfähigen Rebsorten keine Tradition haben wie
etwa Pinot‑ oder Chasselastrauben?
Ich wünsche mir, dass Piwi-Weinproduzenten ihre eigene Weinkategorie schaffen würden. Wenn ohne Vision und Strategie auf die Halde produziert wird, macht es keinen Unterschied, welche Weine hergestellt werden.
Als wie schwierig sehen Sie die Vermarktung der Piwi‑Weinsorten beziehungsweise Piwi‑Weine an?
Wenn der Qualitätsgedanke in den Köpfen der Produzenten Einzug halten könnte, dann werden sich Absatzprobleme von allein lösen. Dann braucht es auch keine Förderungen mehr.
Lassen Sich regionale Unterschiede beim Anbau der Piwi‑Weine feststellen?
Regionale Unterschiede ergeben sich über die Ausreifung der Trauben. Nicht alle Piwis werden an allen Standorten perfekt reif.
Zur Person
Michael Hänzi, 48, aus Meinisberg, hat Önologe in Wädenswil studiert. Hänzi referierte am Wochenende anlässlich der 20-Jahr-Feier der Piwi-Organisation im Wallis. Er besitzt selbst keine
Weingüter, kauft aber zwischendurch Trauben und stellt selbst Weine her. Er bietet verschiedene Dienstleistungen rund um Wein und die Kelterei an, begleitet Weinbauern, gibt ihnen Tipps
und degustiert Weine. Er sagt von sich, dass er ein Genussmensch ist und es ihm wichtig sei, keine Abhängigkeiten zu schaffen. Sein Credo lautet: Nur das anbieten, was man selbst ausprobiert hat.