Neue Reben braucht der Hang

Hitzestress und Schädlinge stellen den Weinanbau vor immer größer werdende Probleme. Widerstandsfähige Rebsorten könnten eine Lösung sein.

Tagesspiegel.de, 14.02.2020, 11:58 Uhr,  Beitrag von Ulrich Amling

Einen Vorteil hat der Klimawandel. Elementare Themen kommen auf den Tisch, wenn auch auf verschlungenen Wegen. Zuletzt sorgte eine Studie von Forschern aus Spanien und Kanada für mediale Erregung, die die Auswirkung der globalen Erwärmung auf populäre Rebsorten untersuchte. Das Ergebnis: Bei zwei Grad mehr sind mehr als die Hälfte der klassischen Anbaugebiete bedroht. Dort, wo bislang Riesling geerntet wurde, wird es in wärmerer Zukunft Trebbiano sein. Das ist eine Aussicht, die jeden Weinliebhaber zum Klima-Aktivisten machen muss.

Winzer müssen umdenken lernen

Doch traditionelle Rebsorten durch sich verändernde Temperaturzonen zu schieben, geht am wahren Problem des Weinbaus vorbei, das seit gut 150 Jahren existiert. Damals fiel nicht nur die Reblaus in Europa ein, auch die Pilzinfektionen Echter und Falscher Mehltau kamen über den Atlantik. Seitdem müssen Winzer um ihre Ernte kämpfen. Die Reblaus kann durch einen Trick in Schach gehalten werden: Auf amerikanische Wurzeln pfropft man die empfindlichen europäischen Edelreben, die damit vor dem Schädling sicher sind. Gegen die Pilzinfektionen werden Schwefel und Kupfer versprüht. Längst hat auch die Chemieindustrie Fungizide entwickelt, die reichhaltig genutzt werden. 60 Prozent aller in der EU eingesetzten Pilzvernichter landen im Weinberg.

Der Chemieeinsatz im Weinberg wird mehr werden

Und die Tendenz ist steigend: Zunehmende Wetterextreme schwächen die ohnehin anfällige Weinmonokultur. Im feuchten Jahrgang 2016 etwa fuhren Winzer in der Champagne und im Burgund mehr als 20 Mal mit Traktoren durch die Rebzeilen, um Pilzgifte zu versprühen. Im ökologischen Weinbau ist dieser Chemieeinsatz nicht erlaubt, doch auch Bio-Winzer brauchen Schwefel und Kupfer, um keinen Ernteausfall zu erleiden. Besonders die Abhängigkeit vom Schwermetall Kupfer, das sich im Boden anreichert und das Leben im Erdreich gefährdet, stößt verantwortungsbewussten Weinbauern bitter auf. Doch wer auf traditionelle Rebsorten wie Spätburgunder und Riesling setzt, kommt ohne Pflanzenschutz nicht aus.

Neue Rebsorten sind widerstandfähiger

Dieses ökologische Dilemma rückt mit dem Klimawandel ans Licht der Öffentlichkeit. Wenn über alternative Rebsorten diskutiert wird, ist die Stunde der „Piwis“ gekommen. Hinter dieser Abkürzung verbergen sich pilzwiderstandsfähige Rebsorten, die über natürliche Abwehrkräfte gegen Echten und Falschen Mehltau verfügen, aber auch Fäulnis und Klimastress trotzen können. Die Idee hatte der französische Reblausforscher Pierre Millardet bereits 1880. Den europäischen Edeltrauben (hohe Weinqualität, geringe Pilzresistenz) sollten die positiven Eigenschaften amerikanischer oder asiatischer Wildreben (geringe Weinqualität, hohe Pilzresistenz) eingekreuzt werden. Doch das Beste beider Weinwelten in einer Rebe zu vereinen, erwies sich als schwierig. Es brauchte viele Rückzüchtungen, um die Widerstandskraft der Wildreben von ihrem widerlichen Aroma zu trennen.
Die "Piwis" werden kommen, aber das braucht Zeit
Überhaupt ist die Züchtung neuer Sorten ein Generationenprojekt. Noch heute entstehen Reben nicht mit der Gen-Schere im Labor, sondern im Weinberg, zum Beispiel am Geilweilerhof in der Pfalz, der zum Julius-Kühn-Institut für Kulturpflanzen gehört. Als zwittrige Pflanze bestäubt sich die Weinrebe selbst. Sie muss kastriert werden, um gezielt Pollen mit einem anderen Genpool auftragen zu können. Diese Arbeit mit Pinzette und Pinsel ist nur etwas für geduldige Feinmechaniker. Dann kommt ein Beutel um die künftige Traube, damit die Vaterschaft unstrittig bleibt. In den Kernen der Beeren befinden sich Geninformationen der gekreuzten Sorten in unterschiedlicher Ausprägung.

Den Gesamten Pressetext finden sie unter tagesspiegel.de

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