Harsche Kritik an Helikopter-Einsätzen

Walliser Bote vom 24.05.2019 S.3

Ein Helikopter der Air-Glaciers besprühte diese Woche mehrere Rebparzellen bei St. German. Kritische Winzer sprechen von einem Affront.
ARMIN BREGY

Serge Délétroz fliegt mit seinem Helikopter über die Rebberge unterhalb von St. German hinweg, ein akrobatisches Auf und Ab, ähnlich dem Tanz eines riesigen Insekts. Immer wieder sprüht es aus den Düsen. Eindrücklich das Schauspiel am frühen Morgen – und kurz: Nach wenigen Minuten ist der Sprüheinsatz vorbei. Délétroz macht sich auf zum nächsten Einsatz in den Regionen Sitten und Martinach.

Vor zehn Tagen wurde die Sprühsaison lanciert. Der Terminkalender der Air-Glaciers ist voll. Die Helikopter sprühen aus vollen Düsen, sind in der gesamten Westschweiz präsent, zuweilen auch im Tessin. Im oberen Kantonsteil betreten sie Neuland, bisher flogen die Sprühpiloten nur bis Varen. Von den ersten Einsätzen in St. German könnte abhängen, ob sich die Sprühtechnik auch östlich der Dala durchsetzen wird. Entsprechend kontrovers wird das Thema diskutiert.

Bio nur mit Heli

Pascal Roduit ist der Chef der Heli-Spritzungen. Er kennt die Kritiker und ihre Argumente und sagt: «Wir setzen auf Bio und spritzen nur natürliche Produkte. Dazu gehören Magermilch, Schwefel, ein Algenextrakt und Bordeauxbrühe.» Pro Hektare werden so 300 Gramm Reinkupfer freigesetzt. Er könne die Kritik aus Umweltschutzkreisen nicht verstehen, sagt Roduit, denn ohne Helikopter wäre grossflächiger biologischer Rebbau im Wallis nicht möglich, da der Aufwand zu gross sei. «Verwendet man biologische Spritzprodukte, muss man öfters spritzen. Das ist nur mit dem Helikopter machbar. Mit den Bio-Produkten können wir also gegen die Rebkrankheiten vorgehen und gleichzeitig die Natur schonen.» Auch für Roduit ist klar, dass die Konsumentinnen und Konsumenten weniger Chemie in der Natur wollen – und somit auch in den Rebbergen. «Daher haben wir bereits vor zwölf Jahren angefangen, Bio-Produkte zu spritzen. Und wir haben sehr gute Erfahrungen gemacht, insbesondere in der Westschweiz.»

Eine Frage der Präzision

In Leuk, unterhalb der Ringackerkapelle, arbeitet Hans-Peter Baumann im Rebberg eines befreundeten Winzers. Es zwitschert und zirpt, zwischen den Rebreihen wachsen über 60 verschiedene Kräuter und Gräser. Baumann setzt seit 28 Jahren auf resistente Rebsorten, sogenannte PiWi-Weine. Diese müssen im Gegensatz zu den konventionellen Sorten nicht gespritzt werden. Baumann kritisiert die Sprüheinsätze, sie seien für die klein strukturierte Rebwirtschaft im Oberwallis nicht geeignet. Insbesondere der Abdrift sei stossend, also die ungewollte Besprühung der Trockensteinmauern, Wanderwege und benachbarten Parzellen. «Vor allem wenn dort PiWi-Sorten gepflanzt sind, ist das ein eigentlicher Affront gegen die angrenzenden Winzer», sagt Baumann. Ein Helikopter könne nicht derart präzise sprühen, dass diese nicht auch in Mitleidenschaft gezogen werden. Stellen Kontrolleure Spritzmittel in den PiWi-Weinen fest, hat dies Folgen für den betroffenen Weinbauer. «Es kann nicht sein, dass Winzer, die ökologisch produzieren, die Leidtragenden der Heli-Sprühungen sind», so Baumann.

Pascal Roduit dementiert und sagt, dass man die verlangten Abstände einhalte. «Wir haben farbliche Markierungen in den Weinbergen. So wissen wir, wo wir spritzen sollen und wo nicht. Zudem verfügt der Pilot über ein GPS-System, das genau anzeigt, welche Perimeter behandelt werden müssen.» Die Helikopter fliegen laut Roduit mit 60 km/h in einer Höhe von drei bis fünf Metern über den Rebberg hinweg, je nach Gelände können es auch zehn sein. «Wir stellen die Düsen ab, bevor wir die Parzellengrenze erreichen. So können wir relativ präzise arbeiten», erklärt der Spritzspezialist. Beim Einsatz in St. German zeigte sich indes, dass der Helikopter eher höher als zehn Meter über die Rebberge hinwegflog.

Image: Lack ab?

PiWi-Pionier Baumann führt ein weiteres Problem der Heli-Einsätze ins Feld: «Die Triebe der Reben sind zurzeit noch klein. 90 Prozent der Spritzmittel fallen auf den Boden, es werden also auch Insekten, Tiere und andere Pflanzen besprüht.» So leide die Biodiversität – und auch das Image der Oberwalliser Weine. «Denn in der Deutschschweiz sind diese Sprüheinsätze verpönt, also dort, wo die Walliser Weine ihre grössten Absatzmärkte haben. Setzen die Oberwalliser auf Sprühhelikopter, hat das schlussendlich auch wirtschaftliche Konsequenzen für die Weinbranche», ist der Gründer der Kellerei Diroso überzeugt. Als Alternative schlägt er den Einsatz von Drohnen vor, denn «diese sind präziser und machen weniger Lärm. In ein, zwei Jahren wird die Drohnentechnik konkurrenzfähig sein.»

Schnell und effizient

Klar ist: Insbesondere in den steilen Weinbergen ist der Helikopter-Einsatz eine Erleichterung für die Winzer, die auch wirtschaftlich interessant sein kann. Pro Quadratmeter verrechnet die Air-Glaciers 39 Rappen. Für Hans Köpfli – er hat seine Rebberge am Mittwochmorgen besprühen lassen – ein Argument, aber nicht das einzige. Der Spritzprozess sei schnell und effizient. «Wenn wir von Hand spritzen, ist der Aufwand sehr gross – ebenso die Rückenschmerzen. Im Unterwallis haben die Winzer gute Erfahrungen mit den Heli-Spritzungen gemacht.» Für ihn und seine Familie sei es ein Versuch. «Wir ziehen Ende Jahr Bilanz und schauen, ob das Resultat zufriedenstellend ist», sagt Köpfli. Ist es das, könnten sich die Heli-Sprühungen auf weitere Anbaugebiete ausweiten. Im letzten Jahr hatten bereits Winzer aus Visperterminen Interesse gezeigt. Im

Umweltschutz interveniert

Die Bewilligung für das Anwenden von Pflanzenschutzmitteln aus der Luft wird vom Bundesamt für Zivilluftfahrt (BAZL) erteilt. Gemäss dem ordentlichen Verfahren werden dazu die betroffenen Kantone und andere involvierte Bundesämter angehört. Die kantonale Dienststelle für Landwirtschaft steht hinter den Helikopter-Einsätzen im Walliser Rebbau. «In der Gemeinde Raron werden bei den Sprühflügen nur Produkte ausgebracht, welche gemäss der Betriebsmittelliste für den biologischen Landbau in der Schweiz zugelassen sind», teilt die Dienststelle mit. Ausserdem gebe es bezüglich der Lärmbelastung durch den Helikopter deutlich kürzere Intervalle als bei der Behandlung vom Boden aus. Trotzdem wird die Bewilligung infrage gestellt – insbesondere von den Umweltverbänden. Denn Sprüheinsätze sind laut dem Bundesamt für Umwelt nur möglich, wenn es keine andere praktikable Lösung gibt. «Unserer Ansicht nach ist die zu behandelnde Parzelle mit herkömmlichen Transportmitteln zugänglich, da auch eine Flurstrasse hinführt», teilen WWF Oberwallis und Pro Natura mit. Zudem seien durch die Sprühflüge Nachbarparzellen, zahlreiche Hecken und Trockenmauern betroffen. Diese seien ein wichtiger Teil des Ökosystems und Lebensraum von verschiedenen Insekten, Tieren und ihren Brutplätzen. Die Voraussetzungen für die Bewilligung seien daher nicht gegeben. WWF Oberwallis und Pro Natura haben beim kantonalen Weinbauamt interveniert. Aktuell laufen die Diskussionen.

Heli-Sprühungen haben bereits in der Vergangenheit zu verschiedenen Polemiken geführt. So wollte die frühere Umweltministerin Doris Leuthard Heli-Sprühflüge im Grundsatz verbieten. Der damalige CVP-Nationalrat und heutige Staatsrat Christophe Darbellay intervenierte erfolgreich. bra

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