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Walliser Bote vom 24.08.2021
Dieses Jahr wird als das Jahr des Falschen Mehltaus in die Annalen des Walliser Weinbaus eingehen, soviel steht schon jetzt fest. War diese Pilz-Krankheit in der Vergangenheit kaum ein grösseres Problem für die Walliser Winzer, so hat sie dieses Jahr umso unbarmherziger zugeschlagen. Die meisten Winzer sind davon betroffen, viele erleiden in ihren Parzellen sogar einen Totalausfall. Bei den erkrankten Rebsorten handelt es sich meist um die europäischen Edelsorten, wobei es sich gezeigt hat, dass vor allem die Sorten Merlot, Humagne Rouge, Fendant und Cornalin am anfälligsten zu sein scheinen. Die Petite Arvine, der Johannisberg, der Pinot oder der Heida scheinen hingegen ein wenig robuster. Aber auch in diesen Sorten sind grosse Schäden zu erwarten.
Anders als die traditionellen Sorten haben sich die sogenannten «Piwi-Sorten» hingegen als sehr robust gegenüber den grassierenden Pilzerkrankungen gezeigt. Hans-Peter Baumann betreibt gemeinsam mit seinen Söhnen Diego und Roman die Kellerei «Diroso» in Turtmann und ist im Wallis ein Piwi-Pionier der ersten Stunde. Rund die Hälfte seiner Produktionsflächen hat er längst auf Piwi-Sorten umgestellt. «Bei den traditionellen Traubensorten haben auch wir einen Totalausfall bei der Sorte Merlot hinnehmen müssen, rund 3000 Quadratmeter, beim Gamay und Pinot Noir liegt der Ausfall bei rund zwanzig Prozent. Diese Sorten haben wir mindestens neun Mal gespritzt, den Merlot sogar elf Mal».
Nur zwei Sorten zeigten Probleme
Was ihn aber hoch erfreut: «Die allermeisten unserer Piwi-Sorten haben dem äusserst hohen Befalldruck des Falschen Mehltaus standgehalten. Wir haben bei unseren Sorten, die für die Weinproduktion züchten, praktisch keine Ausfälle gehabt». Und das Besondere dabei: Baumann hat bei seinen Piwi-Sorten gar keine Präventionsmassnahmen, sprich Spritzungen gegen die Krankheit, verabreicht. Einzig bei den Sorten Cabernet Blanc und Souvigner Gris musste er zwei Mal mit Bordeaux Brühe gegen den falschen Mehltau spritzen. Die Sorten Johanniter, Bianca, Goldwin und Regent musste er einmal anfangs Juli mit Schwefel stäuben, um den echten Mehltau zu stoppen. Folgende weisse Sorten hingegen waren weder vom Falschen, noch vom Echten Mehltau betroffen: Solaris, Muscaris,und Seyval. Bei den roten Sorten haben sich Divico, Marechal Foch, Leon Millot, Chambourcin und Cabernet Jura als äusserst robust gezeigt.
Bei den Esstrauben hingegen hat auch Baumann Ausfälle verkraften müssen. Probleme zeigten sich bei den weissen Sorten Vanessa, Himrod, Lilla, Palatina, Sulima sowie Muscat New York und bei den roten Esstrauben waren Venus, Boscoop Gloria und Ontario nicht robust genug, um der Krankheit zu widerstehen. In diesen Sorten zeigten sich die gleichen Symptome, wie sie allerorts in den Walliser Rebparzellen in diesem Jahr zu sehen sind: absterbende Blätter, welke und vertrocknete Trauben. «Immerhin waren die weissen Sorten Talizman und Arkadia sowie die roten Sorten Dury Campbell, Isabella, Buffalo und Muscat Bleu gegen die Pilzkrankheiten resistent».
Anderes Zuchtziel
Weshalb litten die Esstrauben unter dem Falschen Mehltau, während sich die Sorten, die für die Weinherstellung angebaut werden, weitaus resistenter? Dazu der Fachmann: «Das hat mit der Züchtung zu tun. Sie müssen wissen, dass pilzwiderstandsfähige Rebsorten immer Kreuzungen aus traditionellen Sorten und der amerikanischen oder asiatischen Wildrebe sind. Letztere sind völlig immun gegen Pilzkrankheiten. Je mehr genetisches Material aus den Wildreben in der Neuzüchtung vorhanden ist, desto höher die Pilztoleranz. Bei den Esstrauben ist der Fokus auf die Widerstandsfähigkeit gegen Pilzkrankheiten ein wenig verloren gegangen. Hier geht es um andere Merkmale, wie etwa die Kernlosigkeit der Trauben. Solche sind bei den Konsumenten immer beliebter. Und es hat sich dieses Jahr eben gezeigt, dass vor allem die kernlosen Sorten vom Pilzbefall betroffen waren.»
Baumann kennt die Frustration zahlreicher Winzer. Mindestens fünf hätten ihm gesagt, sie wollen nach diesem Jahr auf Piwi umstellen, ansonsten sie aufhören würden. Das Problem dabei: die meisten Kellereien nehmen immer noch keine Piwi-Trauben an. Doch es findet allmählich ein Umdenken statt: «Rouvinez, Leukersonne und Cave du Paradis sind inzwischen dazu bereit. Derzeit sind nur drei Prozent der Rebfläche in der Schweiz mit diesen neuen Sorten bestückt. Ich denke, in zehn Jahren werden es zehn Prozent sein». Baumann moniert, dass der Staat kaum Hilfe leistet, um diesen Prozess zu beschleunigen. «Wenigstens in der Verordnung über den biologischen Anbau müsste man die Piwi-Sorten integrieren, das würde bereits helfen».
Für den Walliser Boten: Werner Koder