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Weine aus pilzwiderstandsfähigen Sorten gelten als «Weine der Zukunft». Noch aber haben sie es in der Gastronomie schwer. Die Sortennamen sind nur ein Grund dafür.
Ein lesenswerter Artikel vom 17.02.2022 in der Hotelrevue rund um Piwis (inkl. Empfehlung unseres Divico).
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Die Schlagzeilen waren dramatisch: «Die Walliser Winzer haben 2021 so wenig Trauben eingekellert wie noch nie», «2021 ist die kleinste Berner Weinernte seit Jahrzehnten» oder «Aargauer Winzer rechnen mit Ausfällen bis zu 75 Prozent». Schuld daran waren Frost, Hagel und ein regnerischer Sommer – Wetter, wie es der Mehltau, ein erbitterter Feind der Rebe, liebt. Der Pilz sorgt im schlimmsten Fall dafür, dass die Ernte komplett ausfällt.
Doch es gibt Reben, die dem Fiesling einigermassen gewachsen sind. In der Fachsprache ist von pilzwiderstandsfähigen Rebsorten – kurz Piwi-Sorten – die Rede. Winzerinnen und Winzer, die auf Piwi-Sorten setzen, berichten, sie hätten selbst im Krisenjahr 2021 höchstens ein- bis zweimal gegen Mehltau ins Feld ziehen müssen. Davon konnten Produzenten mit herkömmlichen Reben nur träumen.
Weniger Gift, weniger Aufwand, mehr Ertrag trotz Wetterkapriolen und dazu der Wunsch vieler Konsumentinnen und Konsumenten nach nachhaltigen Produkten – vieles spricht für einen Piwi-Boom.
Tatsächlich werden immer mehr Piwi-Reben angebaut. 1994 machten sie laut Bundesamt für Landwirtschaft nur 47 Hektaren aus, 2020 waren es bereits 370 Hektaren. Derzeit kämen die Rebschulen mit der Produktion kaum nach, heisst es beim Verein Piwi Schweiz. Trotzdem haben die «Weine der Zukunft» in der Gastronomie nach wie vor Seltenheitswert. Warum?
■ Geringe Menge
Für den Thurgauer Winzer und Piwi-Vorreiter Roland Lenz hängt das unter anderem damit zusammen, dass in der Schweiz nur geringe Mengen Piwi-Weine gekeltert werden. Das Wachstum der Anbaufläche mag beachtlich sein, doch ihr Anteil an der gesamten Rebbaufläche ist bescheiden: In der Schweiz werden 14 696 Hektaren für Rebbau bewirtschaftet. Ein beachtlicher Teil der 370 Hektaren Piwi-Reben seien zudem Jungreben und für die Forschung bestimmt, erklärt Lenz. «Viele Winzer bieten Piwi eher als Spezialität an. Diese Weine setzen sie über private Kanäle ab», so der Präsident des Vereins Piwi Schweiz.
■ Fehlendes Wissen
Pinot noir, Cabernet Sauvignon und Merlot kennen wir alle. Und auch wer nicht gerade einen Master-of-Wine-Titel besitzt, hat eine ungefähre Vorstellung, wie diese Weine schmecken könnten. Aber wie, bitte schön, schmecken Divico, Regent oder Satin noir? «Ich bin immer wieder überrascht, wie vielen Konsumenten der Mut fehlt, Neues auszuprobieren», sagt Lenz.
«Ich bin immer wieder überrascht, wie sehr der Mut fehlt, Neues auszuprobieren.» Roland Lenz Präsident des Vereins Piwi Schweiz
«Was der Markt nicht kennt, wird nicht bestellt», weiss auch Marc Almert, Sommelier-Weltmeister 2019 und Sommelier im «Baur au Lac» in Zürich. Aber nicht nur den Konsumentinnen und Konsumenten fehlt Piwi-Know-how. Er habe letzte Woche mit einer Sommelière in Ausbildung gesprochen, die noch nie von Piwi gehört habe, erzählt Lenz.
■ Schwierige Sortennamen
Neben reinen Fantasienamen wie Felicia, Saphira und Reberger setzen Züchter wie Valentin Blattner teils auch auf Namen, die an bekannte Traubensorten erinnern, wie etwa Cabernet Jura oder Sauvignac.
Nicht selten sind Piwi-Sortennamen aber der Albtraum jedes Vermarkters – etwa bei Blattners Neuzüchtung VB Cal 1-28. Lenz, der selber einen Cal-1-28-Rotwein keltert, sieht grosses Potenzial in der Sorte. Wenn sie nur endlich einen vernünftigen Namen hätte.
■ Schlechter Ruf
Piwi-Weine galten lange als – gelinde gesagt – gewöhnungsbedürftig. Das Kreuzen mit resistenten Amerikaner-Sorten brachte oft «Chatzeseicherli»-Aromen hervor (auch Foxton genannt). Und die Rotweine hatten das gefürchtete Piwi-Loch, ein abrupt endendes Geschmackserlebnis. «Die ersten Piwi-Weine waren wirklich keine Freude», meint auch Lenz.
Doch Züchter und Winzerinnen haben Fortschritte gemacht. Neue Sorten haben die «Chatzeseicherli»-Aromen verloren. Und im Keller werden Kniffe angewandt, um das Piwi-Loch zu stopfen. So werden etwa die Beeren angetrocknet und die Weine im Barrique ausgebaut. Zudem haben viele Rebstöcke mittlerweile ein gewisses Alter, was zu vielschichtigeren Weinen führt. Doch selbst Piwi-Winzerinnen und -Winzer räumen ein, dass es «work in progress» sei.
Perfekt als Gesprächsthema am Tisch
Und was bringt die Zukunft? Die Pandemie habe das Bewusstsein der Gäste für Nachhaltigkeit gestärkt, findet Almert. Davon könnten Piwi-Weine profitieren. Er schreibt ihnen auch sensorisch grosses Potenzial zu. Lenz ist überzeugt, dass die Weine an einem «Kipppunkt» und vor einer grossen Zukunft stehen. Die Weine hätten gerade in der Gastronomie Potenzial, weil sich damit viele Geschichten erzählen liessen und sie ein prima Gesprächsthema seien. Das bestätigt Almert: «Nachhaltigkeit und Neuigkeit der Weine sind interessante Türöffner, um mit den Gästen ins Gespräch zu kommen.»
Die Situation sei heute eine andere als vor 10, 20 Jahren, findet Martin Hrach, stellvertretender Restaurantleiter im Schloss Wartegg. Piwi-Weine gehören in seinem Lokal, das auf Bio und Nachhaltigkeit fokussiert, zum Konzept. «Früher hiess es oft: ‹Bio-Weine, kann man die überhaupt trinken?›» Das komme heute nicht mehr vor. Es brauche noch etwas Zeit, meint Hrach, aber das veränderte Bewusstsein der Gäste spreche eindeutig für eine rosige Zukunft.